Eine ursprünglich geplante Dänemarkfahrt hatte sich zerschlagen und da ich schon lange mit einer Reise durch das Baltikum geliebäugelt hatte und Michel mir dazu geraten hatte und überdies die Preise erstaunlich moderat waren entschied ich mich für eine Fährfahrt über die Ostsee nach Lettland.
Ich hatte drei Wochen Zeit und buchte deshalb die Fähre an einem Mittwochabend. So sollte ich genug Zeit haben mich durch Deutschland zu schlängeln, den einen oder anderen weißen Fleck auf meiner persönlichen Landkarte einzufärben und Neues zu entdecken und Altes wieder zu sehen.
Ein Abstecher nach Schwerin war zunächst enttäuschend. Es wollte mir partout nicht gelingen einen vernünftigen Platz für eine Übernachtung zu finden. Natürlich hätte ich einen Campingplatz ansteuern können, aber das wollte ich eigentlich vermeiden.
Nach einer Nacht auf einem etwas fragwürdigen Wanderweg (ohne Verbotsschild - aber nicht alles was legal ist ist auch legitim) versuchte ich die Fährreservierung online vor zu verlegen. Jetzt wurde mir klar, warum mein Mittwochabendtermin so billig gewesen war. Sie rechnen damit, dass viele so handeln wie ich und berechnen enorme Aufschläge für Umbuchungen. Diese Option schied also aus.
Ich entschied mich dafür altbekannte Ziele anzusteuern und fuhr an den Schalseekanal, wo ich zuerst
2020 und später nochmal
2021 war. Ich nächtigte auf einem Wander- und Anglerparkplatz am Kanal und paddelte ihn rauf und runter (bis in den Pipersee).
Am folgenden Tag fuhr ich Richtung Lübeck und sah mir die Wakenitz an (Hier finden sich die
Tourdaten). Leider wird diese Verbindung zwischen Lübeck und dem Ratzeburger See von Motorbooten befahren und ist deshalb aus meiner Sicht alles andere als Naturbelassen wie das die Infotafeln eigentlich versprechen.
Am gleichen Tag machte ich eine Rundfahrt um die Lübecker Altstadt (Hier sind die
Tourdaten). Ein kräftiger Regenschauer machte diese Fahrt aufregender als sie in Wirklichkeit ist. Jedem Menge Elektroboote umkreisen die Altstadt im Uhrzeigersinn. Aber auch SUPs sind unterwegs und Passagierschiffe mit Panoramafenstern.
Schließlich fuhr ich - nachdem ich auf dem Gelände des Lübecker Kanuklubs übernachtet hatte und frisch geduscht war - nach Travemünde, vertrieb mir die Zeit auf dem dortigen Strandrummel (die "Travemünder Tage" fanden gerade statt), aß ein überteuertes Softeis und fuhr am Abend an Bord der Stena Flavia.
Pünktlich legte die Fähre ab, irgendwann verließ der Lotse das Schiff und wir fuhren in ziemlich direkter Linie Richtung Lettland entlang der schwedischen Küste. Ich hatte einen Sessel im Ruheraum gebucht. Der Raum war nicht wirklich ruhig. Die Nacht war kurz und unruhig.
In Lettland angekommen klapperte ich die Küste ab, übernachtete zunächst auf einem Strandparkplatz, an dem das nicht verboten war, und fuhr dann ins Landesinnere um den Fluss Abava oberhalb von Renda zu paddeln. Gesonderte Berichte hierzu verkneife ich mir. Die Tourdaten sind
hier dokumentiert.
Einem
Ratschlag aus dem Canadierforum folgend paddelte ich am nächsten Tag die Irbe, die - nachdem sie sich durch die Dünen geschlängelt hat - in die Ostsee mündet (
Tourdaten). An der Mündung ist ein idyllisch gelegener halblegaler Campingplatz.
Mein Versuch diesen Campingplatz zu erreichen scheiterte. Der Weg dahin bestand aus einer ausgefahrenen Sandpiste. Wie die Letten das mit ihren Limousinen bewältigen ist mir ein Rätsel. Ich lädierte die Radläufe meines Autos und - wie sich später herausstellen sollte - die ganze Frontpartie, die infolge einer Kollision mit einer Bodenwelle auf der Sandpiste auf ganzer Breite einige Zentimeter eingedrückt wurde (optisch ist das wegen des Plastikstoßfängers nicht wahrnehmbar).
Ärgerlicherweise passierte dieses Missgeschick just an dem Tag, an dem der Wagen die 200.000-Kilometer-Marke erreicht hatte, was ich an einem kleinen Weiher bei Vaide mit Knäckebrot und Cola feierte. Ich übernachtete auf einem Waldweg und flickte den Schaden am Auto notdürftig mit Klebeband.
Der nächste Fluss, den ich ansteuerte, war die Gauja. Ich durchquerte Riga am frühen Morgen und fuhr in den Gauja Nationalpark. Zunächst wollte ich den Abschnitt oberhalb von Sigulda paddeln, fuhr dann aber weiter an die Fähre "Līgatnes pārceltuve pār Gauju". Von dort paddelte ich bis zur 600 Meter langen Felsformation "Ķūķu" (
Tourendaten).
Am folgenden Tag regnete es. Ich fand einen Grillplatz am Oberlauf der Gauja und ließ mich da nieder. Am anderen Morgen - als der Regen grad mal Pause machte - brach ich zu einer Paddeltour flussauf auf. Ich bewältigte gerade mal sechs Kilometer (
Tourendaten) und fuhr von da aus nach Estland.
In Estland hatte ich die Absicht die sieben Seen bei Rouge, die laut Reiseführer miteinander verbunden sind, zu paddeln. Das erwies sich aber als nicht machbar. Es sind nur einige davon verbunden und diese Verbindungen sind auch ziemlich zugewachsen. Zudem ist die Gegend sehr "touristisch". Ich nutzte diese Infrastruktur, ...
...fuhr dann aber weiter nach Tartu, wo ich vor 16 Jahren schon einmal war. Ich besichtigte die Stadt, fand schnell die Stellen, die ich damals schon spannend fand und fuhr dann noch hinaus zum Nationalmuseum Estlands, das aus meiner Sicht architektonisch eher fragwürdig ist. Da wird einem modernen Brutalismus gehuldigt, dem ich nichts abgewinnen kann.
Vor 16 Jahren schon habe ich die Gelegenheit genutzt den Vohandu in einem Verleihboot zu paddeln. Diesmal hatte ich das eigene Boot dabei und wählte einen vermeintlich seenartigen Abschnitt, der sich aber als Schilf- und Seerosenlabyrinth erwies. Immerhin fanden sich auch da die charakteristischen Prallwände (
Tourendaten).
Um einen Werkstatttermin in Valga einzuhalten steuerte ich erneut den Grillplatz an der Gauja auf der Lettländischen Seite der Grenze an. Die Schadensbegutachtung war niederschmetternd und ich musste mich am Abend auf einem weiteren Gaujaabschnitt austoben (
Daten).
Nach einigen weiteren Schlenkern durch Lettland erreichte ich Litauen, wo ich an einem See (Siesartis) erstmalig in diesem Urlaub auf einem Campingplatz eincheckte. Ich duschte ausgiebig und paddelte am anderen Morgen (vor der zweiten Dusche) über den See bis zum undurchdringlichen Durchstich zum nächsten See (
Daten).
Ich hatte schon vor Urlaubsantritt Vorurteile vor Polen und es ist dem Land nicht gelungen sie auszuräumen. Die Masuren (jedenfalls der Teil davon, den ich zu sehen bekam) sind touristisch erschlossen und durchdrungen. Jede Stelle, an der man sich mit dem Auto etwas abseits niederlassen könnte, ist mit illegalen Müllablagerungen verschandelt und ich verlor schnell das Interesse. Ich übernachtete an einem Angelsee südlich von Łódź.
Anschließend fuhr weiter in den Süden des Landes wo ich den Geburtsort meines Vaters besichtigte und mir die vermeintlichen Überreste des einstigen Gutshofs ansah. Diese Sentimentalität führte mich dann auf der weiteren Fahrt nach Dresden, wo ich offiziell das Urlaubsende am Festspielhaus in Hellerau zelebrierte, in dem vor über 100 Jahren von Alexander Neill die Schule gegründet wurde, die später als "Summerhill-School" für weltweite Diskussionen über Erziehungsstile und Kinderrechte führen sollte.
Es war ein aufregende und anstrengende Reise. Ich hatte nie vorher solche Schwierigkeiten geeignete Übernachtungsplätze zu finden. Das liegt möglicherweise an meinen übersteigerten Ansprüchen und verwurzelten Gewohnheiten, die in diesen Ländern nicht umsetzbar sind. Die baltischen Länder sind im ländlichen Raum (Städten kann ich immer weniger abgewinnen) fortwährend nicht auf Auslandstourismus eingerichtet. Informationstafeln und Hinweisschilder müssen übersetzt werden, was mittlerweile mit dem Handy erstaunlich gut gelingt. Eine gute Netzabdeckung ist dafür erforderlich, aber die gibt es ja im Baltikum.
Vielleicht ist die Zeit der ausgedehnten Abenteuerurlaube für mich vorbei. Beim nächsten längeren Urlaub werde ich wieder für einige Tage irgendwo ein Häuschen oder eine Ferienwohnung mieten. Das "dauernd unterwegs sein" strengt schon sehr an und der Schaden am Auto, den ich gleich zu Beginn selbst verursacht hatte, drückte die Urlaubslaune im Verlauf ein wenig.
Dennoch: Das Baltikum ist eine Reise wert. Wenn es ein nächsten Mal geben sollte würde ich in beide Richtungen mit der Fähre fahren um Polen und die lange Fahrt mit dem Auto zu vermeiden. Ich war letztlich 4.500 Kilometer unterwegs und habe - außer für Treibstoff und die Fähre - keine anderen Ausgaben gehabt als ich zuhause gehabt hätte (auch weil ich mich keinen ungewöhnlichen -Konsumversuchungen ausgesetzt sah).
Die Gewässer, die ich gepaddelt bin, waren spannend, aber auch strapaziös. Nicht nur das Flussaufpaddeln ist anstrengend, sondern auch die vielen Insekten. Immer wieder hielt ich inne und erschlug Bremsen und Stechmücken. Manch eine von ihnen hat aber auch erfolgreich mein Blut aufgesaugt und wird damit zahlreiche Nachkommen heranziehen. Vielleicht ist diesbezüglich das Reisen in einer anderen Jahreszeit anzuraten. Im Hochsommer wird sogar in offiziellen Touristikprospekten vom Paddeln auf estnischen Flüssen abgeraten.