Montag, 17. Juni 2013

Loisachwochenende


Schon im Vorfeld der Fahrt an die Loisach zeichneten sich organisatorische Wirrnisse ab, die schließlich darin resultierten, dass sowohl René als auch ich getrennt von den anderen Teilnehmern aus dem Kreis der Paddelfreunde in eigenen Autos nach Garmisch fuhren. Dieser separatistische Ansatz sollte sich durch das Wochenende durchziehen, was ich letztlich sehr unbefriedigend fand. Es war allerdings selbst verschuldet, das muss gleich eingestanden werden, denn schon der Blick auf die Preisliste des ausgewählten Campingplatzes sorgte dafür, dass wir entschieden wild zu campieren.

René und ich trafen uns Freitagabend an der Aussatzstelle und wanderten zu zweit die „Kajakstrecke“ der Loisach ab. Dazu mussten wir immer wieder waghalsige Kletterpfade begehen und ich frage mich warum ich bei Fahrten in die Berge nicht vernünftiges Schuhwerk mitnehme.


Der Fluss sah beeindruckend aber nicht einschüchternd aus. Schon auf dem Parkplatz nahm ich wahr, dass einzelne verwegene Paddler noch abends um Sechs einen kleinen Abendrun angingen und in der schnellen Strömung erstaunlich ruhig und kontrolliert navigierten. René hatte das nicht gesehen und ihm wurde beim Anblick der rauschenden Fluten immer mulmiger.

Als wir dann abends zusammen saßen äußerte er schon erste Zweifel. Wir besuchten die Paddelfreunde auf dem Campingplatz, sahen ihnen beim Abendessen zu (wir hatten schon etwas zu uns genommen) und plauderten. Dann setzte Regen ein und wir waren froh mit dem Auto hinunter gefahren zu sein.

Zurück auf unserem „wilden“ Platz zogen wir uns alsbald in die jeweiligen Vehikel zurück und schliefen tief und fest.

Am anderen Morgen zum Frühstück traf Rainer ein, der ebenfalls im eigenen Auto angereist kam. Dann kamen noch Martina und Florian und Peter, so dass die wilden Canadierpaddler ausreichend vertreten waren. Wir frühstückten, plauderten und brachen dann kurz vor Halbelf - ohne René - zur ersten Befahrung auf.



Ich drängte mich an der Einstiegsstelle Lutz auf, den ich als vertrauenswürdigen Flusführer schätzen gelernt habe. Er sollte mich nicht enttäuschen. Die Loisach hatte einen moderaten Pegel von 111 cm und wir fuhren in einer kleinen Gruppe von vier Kajaks und einem Canadier von Kehrwasser zu Kehrwasser. Die erfahrenen Loisachfahrer (Lutz und Jox) fuhren an allen Viererstellen vor (das sind die, bei denen man einfach nicht sieht, wohin der Fluss fließt und was hinter den Flusshindernissen lauert) und am „Dom“, einer Schlüsselstelle, die – wie wir von unserem Spaziergang am Vorabend wussten – verholzt war, setzten wir im vorletzten Kehrwasser aus und übertrugen das Hindernis rechtsseitig.


Der Fluss war von Anfang an stark verblockt und erforderte volle Konzentration. Es ging über zahlreiche Stüfchen und um unzählige Steinhindernisse hinter denen entweder vertrauenserweckende Kehrwasser liegen oder tiefe Löcher lauern.

Die Kehrwasser überwogen zwar aber mein kleiner Skeeter nahm in Walzen und Löchern immer wieder Wasser über. Mir gelang es nicht immer, die Linie zu paddeln, die ich mir vorgenommen hatte, aber im Wesentlichen kam ich gut zurecht. Die elektrische Pumpe im Boot leistete mir beste Dienste. Nach dem „Dom“ wurde der Fluss netter (aber nicht harmlos).


Ich verstehe inzwischen warum die beiden Wildwassercanadier, die ich vor sechs Jahren für den Verein angeschafft habe so übel zugerichtet waren. Der Verkäufer, ein Zahnarzt aus Farchant hat mit ihnen erste Erfahrungen auf der Loisach gesammelt.


Später, nach der Straßenbrücke folgte ein weiterer verblockter Abschnitt, und dann kam das „Treppenhaus“, in dem sich eine Reihe von Stufen aneinander reihen. Ich fuhr tendenziell mitten hindurch (sofern die versetzt angeordneten Steinblöcke das zuließen), die Pumpe surrte.
Schließlich kamen wir nach der Eisenbahnbrücke und einigen weiteren netten Kehrwasser- strecken an der Aussatzstelle unterhalb der Fußgängerbrücke an, an der René schon auf der Kiesbank saß und Mittag aß. Lutz, Jox, Klaus und Christian wollten noch weiter zum Campingplatz.

Ich stieg hier aus, verabschiedete mich von meinen Kumpanen, bedankte mich bei Lutz für's Vorfahren und nahm ein kleines Erfrischungsbad im kalten Fluss nachdem ich mich von meinen Neoprenklamotten befreit hatte. Dann leistete ich René etwas Gesellschaft. Wir sahen zahlreiche Paddelgruppen vorbei paddeln oder anlegen und entschlossen uns, den Nachmittag bei Kaffee und Kuchen in Garmisch zu verbringen.


Wir stiefelten also über einen kleinen Wanderweg linksseitig des Flusses hinunter in die Stadt, wunderten uns über die große amerikanische Garnison, suchten ein Café, fanden eins und genossen kalorienreiche Kost während unsere Paddelkumpanen alle einen zweiten Run auf der Loisach absolvierten. Vorher hatten sie noch ein Weilchen auf dem Parkplatz entspannt herumgelungert.


Abends saßen wir dann zusammen mit den wilden Canadierpaddlern unter Rainers Markise weil es immer wieder regnete. Dann setzte ein heftiges Gewitter ein, wir krochen gegen Halbzehn in unsere Vehikel und dieser Umstand vereitelte einen ursprünglich geplanten Besuch bei den Paddelfreunden auf dem Campingplatz. Dort hätten wir erfahren, dass sie für den Sonntag eine Befahrung der oberen Isar planten, die mich ja auch schon lange reizt und die erheblich weniger Furcht einflößend ist als die rauschende Loisach.


Ich hatte ja nun gute Erfahrungen mit der Loisach gemacht und startete am anderen Morgen guten Mutes mit der Canadierfraktion (Fiete ersetzte Peter) die nächste Fahrt auf dem gleichen Abschnitt bei geringfügig höherem Pegel (116,5 cm).
Wir starteten wieder spät gegen Halbelf nachdem wir ausgiebig gefrühstückt hatten. Der Fluss führte gut fünf Zentimeter mehr Wasser und fühlte sich für mich doppelt so reißend an wie am Vortag. Vielleicht war es auch das rasante Tempo der Canadierfraktion, das diesen Eindruck verstärkte.
Die Truppe sauste vor, wartete dann in den Kehrwassern, ich hinkte hinterher, erwischte dann kein unbesetztes Kehrwasser, trieb vor einen Stein, kantete falsch auf und absolvierte nach kurzer Fahrt (auf dem ersten Kilometer) meinen ersten Schwimmer.

Ein wenig wohlwollender Stein trat mir dabei unsanft in den Rücken. Ich sortierte mich wieder, stieg wieder ein. Die anderen fuhren jetzt etwas langsamer, warteten in Kehrwassern, in die ich dann erneut nicht reinkam, weil da schon ein Dickschiff saß und es mir fürs Einfädeln in winzig kleine Restkehrwässer an Kompetenzen mangelt. Ich wurde immer schneller, polterte in ein vermeintliches Kehrwasser, dass sich als Loch entpuppte und kenterte erneut nachdem mein Boot mit dem Heck auf einen Stein aufgelaufen war und ich im 45°-Winkel flussaufwärts „surfte“, was zu massivem Wassereinbruch in mein Boot führte.

Ich stieg aus, schwamm (diesmal ohne Steinberührung), rettete erneut mich und mein Boot und signalisierte den anderen, dass ich die Fahrt abbreche. Nach zwei kurz aufeinander erfolgten Kenterungen hatte ich schlichtweg die Nerven verloren.


Diese letzte Kenterung fand am sogenannten „Glockenspiel“ statt, einer Installation aus einer Bootsspitze und einem Paddelblatt nebst diversem anderem undefinierbaren Material, die linksseitig in den Bäumen hängt und den „Dom“ ankündigt, der offenbar noch am Samstag frei gesägt worden war. Nachdem ich mein Boot den Waldhang hinauf gezerrt und mich von Schwimmweste, Helm und Paddeljacke befreit hatte wanderte ich auf dem Radweg flussabwärts.


Kurz drauf beim „Dom“ sah ich noch einmal meine Spießgesellen, die munter in den Wellen tänzelten. Ich stiefelte die vier/fünf Kilometer zum Parkplatz, traf René an, dem ich von meinem Mißgeschick berichtete. Dann machte ich mich – nachdem ich umgezogen war - im Auto auf, um das Boot zu holen. Da ich schon auf dem Weg war fuhr ich dann auch gleich weiter nach Hause. Die Heimfahrt am Sonntagmittag verlief immerhin reibungslos.


Erstaunlicherweise kam ich dann aber gegen 16:00 Uhr mit einem schmerzenden linken Fuß an, dessen Knöchel immer mehr anschwoll. Das konnte weder mit meiner Schwimmeinlage noch mit dem Zwangsspaziergang zu tun haben. Es erinnerte mich an mein Maleur vor vier Jahren im Engadin, als ich ebenfalls ohne erkennbaren Grund wegen eines schmerzenden geschwollenen Fußes einen Tag aussetzen musste. Eine entzündungshemmende Salbe und eine Nacht Ruhe brachten den Fuß auch jetzt wieder in Ordnung. Die Ursache bleibt rätselhaft.

Zunächst werde ich nun wohl das Loisach-Wochenende eher in schlechter Erinnerung behalten. Dabei fand ich den Samstag eigentlich glorios. Der nachfolgende Sonntag war dagegen durchgängig demoralisierend. Wildwasser IV wird auch in absehbarer Zeit nicht mein Komfortbereich werden. Dass uns die Möglichkeit, an der Befahrung der oberen Isar teilzunehmen, entgangen war, weil wir aus lauter Geiz nicht auf dem Campingplatz dabei waren (der letztlich doch erheblich billiger war als die veröffentlichte Preisliste erwarten ließ) ist deshalb besonders ärgerlich. Die desaströsen Kenterungen mit der Prellung am Rücken und dem anschließenden Zwangsspaziergang haben mir klar gemacht, dass ich in der Gesellschaft meiner vermeintlich behäbigen Paddelfreunde wohl doch besser aufgehoben bin als bei diesen Hardcore-Stechpaddlern, die zwar beeindruckend durchs wilde Wasser tänzeln aber mit denen ich nicht Schritt halten kann. Die rätselhafte Fußgeschichte, die mich den Restsonntag außer Gefecht setzte, gibt mir ebenfalls fortwährend zu denken.

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