Es ist schon wieder vier Jahre her, dass ich zuletzt beim Stocherkahnrennen war. Richtig vermisst habe ich es nicht, da ich stattdessen in der Regel beim Ablass der Bregenzer Ach bin. der scheint in diesem Jahr allerdings nicht wirklich statt zu finden. Die Pegel sind jedenfalls traurig niedrig. Um so spritziger ist das Rennen, das hier jedes Jahr zu Fronleichnam in Tübingen stattfindet.
Noch am Morgen war ich - wie an Wochenenden, Feiertagen und Urlaubstagen letztlich häufiger - in aller Frühe paddeln. Richtig sportlich war mir nicht zumute. Deswegen bin ich ziemlich genau die Strecke abgepaddelt, auf der am Nachmittag...
...das Rennen ausgetragen wurde. Inklusive zweimalige Nadelöhrdurchfahrt. Das ist die Engstelle zwischen Neckarinsel und -brücke, über die die Fußgängertreppe hinunter führt.
Gegenüber lauerte ein Reiher malerisch im Kanalbogen auf Beute.
Sonst wars ruhig und beschaulich - abgesehen von den üblichen Partygängern, die der Meinung sind, dass man morgens um fünf grölend durch die Straßen ziehen sollte und darf, oder die infolge des Konsums von Substanzen um die Zeit keine Meinung mehr haben.
Die Ruhe war am Nachmittag vorbei. Zahllose Zuschauer säumten den Fluss, die Ufervegetation wird Wochen benötigen um sich zu erholen.
Die Mannschaften hatten sich bei der oberen Fußgängerbrücke aufgestellt und das Rennen startete erstaunlicherweise Punkt 14:00 Uhr. Rolf und ich setzten uns - ausgehend vom oberen Ende der Neckarinsel - zügig in Bewegung. Vorbei an unzähligen Zuschauern.
Wir paddelten nicht hastig, aber durchaus flott und wir wurden dennoch etwa auf Höhe des Hölderlinturms vom führenden Kahn, dem der Sieg da schon nicht mehr zu nehmen war, überholt.
Diesen konkurrenzlosen Überfliegern nachzupaddeln wäre witzlos gewesen, also platzierten wir uns bei der Neckarbrücke und sahen den dramatischen Kämpfen beim Nadelöhr zu, das jeder Kahn zwei mal passieren muss.
Auffällig viele Kähne hatten nur noch halbe Stangen, zahlreiche Stocherer gingen ausgerechnet hier über Bord und halfen ihrem Kahn beim Navigieren im Gedrängel (das ist eigentlich verboten weil es dabei schon zu Knochenbrüchen gekommen ist).
Wir nahmen die Verfolgung des letztplatzierten Kahns auf, was nicht nennenswert schwer fiel, weil die zuletzt im Feld verbliebenen Kähne offenbar ausnahmslos mit völlig unfähigen Stocherern bemannt sind, die Trainieren für Feigheit halten.
Vielleicht ist es auch so, dass einzelne gerne verlieren wollen um im nächsten Jahr das Rennen ausrichten zu dürfen. Diese Strafe der Preisrichter wird mittlerweile als Privileg angesehen. Nicht so der halbe Liter Lebertran, den jedes Mitglied des Verliererkahns zu sich nehmen muss.
Das ist ein irrsinniges Erniedrigungsritual aus Burschenschaftszeiten, dem die Besatzung des zuletzt einlaufenden Kahns - die nur noch eine halbe Stocherstange zur Verfügung hatte, was den Verdacht keimen lässt, dass gerade sie nicht unbedingt scharf aufs Verlieren gewesen war - nicht gerade begeistert entgegen sah.
Wir verließen das feuchtfröhliche Fest an der Neckarinselspitze, bei dem man stets Gefahr läuft nass gespritzt zu werden oder gar zu kentern und kehrten zurück zum Bootshaus. Gewitterwolken zogen auf und mich zog es in meinen Garten, in dem ich das hier jetzt schreibe.
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