In der Nacht prasselte dann irgendwann Regen auf unser Zelt. Ich rechnete schon damit, dass Jens, der im Biwakschlafsack im Freien schlief, zu uns kommen würde aber er behalf sich mit einer Plane und der Regenguss war wohl von kurzer Dauer. Auch Rolf blieb mannhaft unter seinem Tarp. Als ich schließlich um kurz nach sieben aufstand strahlte schon wieder die Sonne vom Himmel und ich setzte erst mal einen Kaffee auf. Allmählich regten sich anderen und wir nahmen ein Etappenfrühstück zu uns, dass sich einige Zeit hinzog während der schon erste Zeltabbauvorbereitungen eingestreut wurden und das Tarp zum Trocknen in die Sonne versetzt wurde (wir hatten bewusst an der Seite Zelte und Tarp aufgebaut, die aus der Distanz wenig einsehbar war aber dafür morgens im Waldschatten lag).
Irgendwann im Laufe des Vormittags beluden wir dann die Boote erneut mit all dem Krempel, den wir so dabei hatten, räumten den Lagerplatz so auf, dass unsere Anwesenheit nur von einem geübten Fährtenleser nachgewiesen werden konnte und zwängten uns unter der Absperrung vor dem Kanal hindurch. Die beiden Canadier hatten es dabei etwas schwerer als die Kajaks, insbesondere Rolfs Solocanadier mit dem Sattelsitz ließ sich lediglich in extremer Aufkantung (abgestützt auf Jens’ Kajak) darunter hindurch drücken.
Auf dem Kanal ging es flott weiter zur Umtragestelle am Kraftwerk. Dadurch, dass der Kanal eben voranführt wird man im Boot immer weiter über das übrige Landschaftsniveau geführt und hat einen für Flussfahrten ungewohnt weiten Blick über die Felder und Wiesen bis zum Horizont. Das Wiedereinsetzen der Boote war eine mittelprächtige Schinderei weil die freundlich vorbereitete Treppe inzwischen reichlich überwuchert und teilweise weggeschwemmt ist. Gleichwohl muss den privatwirtschaftlichen Betreibern betont lobend zugute gehalten werden, dass sie die Umtragestelle angelegt und gut beschildert haben (das muss dem Donautal-Ranger mal jemand „stecken“, der den Bootsfahrern ja das Treideln im seichten Donauarm empfiehlt).
Anschließen an den Kanal kommt ein Abschnitt mit einer als „scharfkantig“ beschilderten Solschwelle (mit vorbildlich angelegter Umtragungstreppe), die selbst bei einigermaßen klarem Mittelwasser nicht im Flussbett zu erkennen ist. Der nachfolgende als „unbefahrbar“ ausgeschilderte Schwall hat im unteren Bereich einen gefährlichen Stein über den sich Jens im Kajak platzierte, so dass wir anderen reibungslos neben seinem Kajak hinunter kamen.
Dann kamen die Bremsen.
Der Flussabschnitt vor Hundersingen bildet immer wieder kleinere Schwälle und wellige Passagen, die wir aber überhaupt nicht genießen konnten da die gewittrige Luft die Bremsen immer angriffslustiger machte. Wir waren zeitweise von richtigen Schwärmen umlagert und schlugen uns selbst und gegenseitig unablässig. Die Verlustrate der Bremsen war beträchtlich aber sie sorgten für weitere Streitkräfte und der Luftkrieg hielt unvermindert an. Das eine oder andere Mal vermanövrierten wir uns regelrecht im Zuge dieser Kampfhandlungen. Bei Hundersingen schließlich ließen sich die gegnerischen Kampfstreitkräfte auf eine Waffenpause ein in der wir die beiden Wehre besichtigen konnten. Die von uns, die sich für eine Befahrung entschieden hatten, sausten nach der Besichtigung hinab, die anderen begannen mit der mühsamen Umtragung.
Am zweiten Wehr wurde im Rahmen der Brückenerneuerung im letzten Jahr die Leitplanke so weit Richtung B32 vorgezogen, dass eine Umtragung über die Brücke unmöglich geworden ist. Das wussten wir vorher aber nicht, so dass wir irgendwann ein zwischen Leitplanke und Brückengeländer verkeiltes Boot mühsam gemeinsam befreien mussten während es anfing zu regnen. Ein in dieser Situation spontan erhobenes Meinungsbild ergab, das drei einer Fortsetzung der Fahrt (die sich ab hier bis Riedlingen recht eintönig gestaltet und bei Ende des Regenwetters viel Bremsen-Potential enthält) gleichgültig gegenüber standen und zwei eher für einen Abbruch waren, da am Ende der Brücke ein Vordach vor einem Speditionsgebäude einen trockenen Schutz verhieß.
Wir hoben das Gepäck und die übrigen Boote aus dem Wasser und lagerten alles trocken unter das Dach. Dann machten Jens und ich uns in einem etwas voreilig spontan herbeigerufenen Taxi (da sich das Zurücktrampen ab Hundersingen aufgrund der etwas verworrenen Streckenführung als schwierig erweist) auf den Weg nach Sigmaringen um die Autos nachzuholen. Wir waren schließlich regelrecht schockiert von den Kosten dieser kurzen Taxifahrt und beschlossen so schnell nicht wieder Taxi zu fahren.
Zurück in Hundersingen wurden Boote und Ausrüstung verladen, ein von Rolf auf der Laderampe zubereiteter Kaffee geschlürft und eine dicke Abrechnung präsentiert (Berechtigungsscheine pro Boot und Tag 3 EUR inklusive Umlage für das entfallene fünfte Boot, monumental teure Taxi-Rechnung, - war mir jetzt richtig unangenehm). Dann machten wir uns im Nieselregen wieder auf nach Tübingen wo es noch heftiger geregnet hatte, jetzt aber die Sonne schien.
Bei der Ankunft am Bootshaus trafen wir Roland an, der eine gemütliche kleine Sonntagnachmittagstour auf dem Neckar vorhatte. Er half uns noch beim Abladen und wir konnten ihm anschließend bei einem kleinen Missgeschick zur Hilfe eilen über das wir jedoch Stillschweigen vereinbarten. Ja, Kanufahren birgt eben immer noch abenteuerliche Anteile, die einen selbst beim gemütlichsten Sonntagnachmittagsausflug nicht vor Adrenalinschüben und heftigem Gespött selbst der besten „Paddelfreunde“ bewahren...
Zuhause angekommen sprang ich erstmal unter die Dusche und musste feststellen, dass meine Beine unterhalb der Knie (vor allem an den Knöcheln) völlig von Mücken zerbissen sind. Diese Stiche und Bisse jucken nun fortwährend und werden mich zumindest die ersten Tage dieser Woche fast ebenso nachdrücklich wie die Bilder an diese Donautour erinnern, die – bis auf die Moskitos und das einsetzende schlechte Wetter – eine rundum schöne Tour war. Ich glaube, dass mir der Regen nicht besonders viel ausgemacht hätte, wenn ich nicht kurz vorher vom Kampf mit den Plagegeistern so entnervt gewesen wäre. Zudem war vermutlich mein insgeheimes Ziel endlich einmal diese bedrohlichen Schwälle auf der zweiten Etappe erfolgreich zu meistern just in dem Moment befriedigt als der Regen einsetzte.
Im nächsten Jahr werde ich die Donautour erstmal nicht mehr im Vereinsprogramm ankündigen. Wenn sich einige Interessierte finden können wir sie ja spontan an einem Juni/Juli-Wochenende privat realisieren. Im Solocanadier (oder auch Tandem mit einem ausdauernden Paddelpartner) könnte ich mir überdies vorstellen, die Strecke Sigmaringen-Riedlingen mit früherem Start und ohne Gepäckberge problemlos selbst mit Pausen an einem Tag zu bewältigen. Auch das scheint mir eine denkbare Alternative (vor allem als Spontanaktion bei Hochwasser). Gleichwohl hat gerade die Übernachtung auf freiem Feld ihren eigenen Reiz wenn nur die Wetterentwicklung nun nicht schon zum zweiten Mal so ungünstig verlaufen wäre.
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