Montag, 9. Mai 2011

Zwei Tage Bregi

Freitag

Am Freitagnachmittag trafen wir uns am Bootshaus. Obwohl ich mit „kleinem Gepäck“ reisen wollte konnte ich meine Packsäcke und –tonnen nicht in einem Gang tragen sondern musste sie in Etappen ans Bootshaus befördern. Diese Paddelklamotten, Schlafsack und Isomatte nebst transportabler Unterkunft und dem sonst üblichen Gerödel bilden doch ein ansehnliches Bündel. Freitagnachmittag nun wurden die Packsäcke unten in den Anhänger gepackt und mit einer bunten Auswahl verschiedenster Booten abgedeckt.


Dann ging es kurz nach Fünf los nach Bregenz, wo wir in Anschluss an den Pfänder-Tunnel, dessen Befahrung wir uns geleistet hatten, ein paar randurbane Ehrenrunden drehten bis wir bei Kennelbach den Abzweig in den Bregenzer Wald fanden und nach Doren zum Campingplatz fuhren. Dort kamen wir kurz vor dem Dunkelwerden an, und bauten hektisch unsere Nachtlager neben den Zelten der bereits eingetroffene auf. Ich hatte mich auf zwei Nächte in der Hängematte eingerichtet, für die auch gerade mal zwei einigermaßen taugliche Bäume bereit standen. Lutz war so nett, sein Zelt in einer anderen Ecke aufzurichten. Und er war so nett noch zwei Dosen Serbische Bohnensuppe zu schlachten und mit Wurstbeilage (Danke Norbert!) zuzubereiten, die wir anschließend bei Kerzenlicht in uns hinein schlangen. Die angenehmen Tagestemperaturen gingen zügig in nächtliche Kälte über und wir hielten es nicht besonders lang um die Campingtische sitzend aus sondern zogen uns irgendwann zwischen Zehn und Elf in unsere Schlafstätten zurück. Meine war – wieder einmal – trotz anfänglicher Zweifel (nicht nur meiner Paddelkomplizen) hoch komfortabel. Vielleicht sollte ich dem brasilianischen Beispiel folgend zuhause auch eine Hängematte installieren. Auch die Kälte machte mir in keiner Weise zu schaffen.

Samstag

Am anderen Morgen wurde ich durch diskretes Töpfeklappern wach, schälte mich aus meiner Hängematte und gesellte mich zu Lutz, der bereits mit Kaffeekochen beschäftigt war. Ich bekam einen ab (mein „kleines Gepäck“ zwang mich an diesem Wochenende dazu mich ein wenig durch zu betteln) und allmählich krochen unsere Mitstreiter aus ihren Schlafsäcken. Die Sonne stieg über die Bäume und nach und nach wurde es auch auf unserem flussseitigen Teil des Campingplatzes wärmer.


Gegen Neun trafen auch Klemens und Anita mit Gesine und Manuel ein und ähnlich hektisch wie am Vorabend wurden weitere Zelte aufgerichtet. Währenddessen fuhren wir schon einmal Autos an die Aussatzstelle in Kennelbach, wo Roland und Uli uns erwarteten, die uns dann wieder zurück zum Campingplatz brachten.

Dort wurden Boote ans Ufer gewuchtet, Neoprenklamotten angezogen und erste Paddelversuche unter der Hängebrücke unternommen. Von letzterer stürzten sich wieder (das hat Tradition) die Teilnehmer einer Raftingfahrt. Vielleicht sollten wir das ja auch mal in unser Programm aufnehmen.

Wir teilten unsere große Gruppe (15) in zwei auf. Unsere Gruppe bestand aus den drei Canadiern und vier Kajaks und die, die bereit dazu waren absolvierten gleich zu Anfang ein Paar Eskimorollen denn die Ausfahrt diente schließlich dem Zweck ein europäisches Paddelzertifikat des dritten Schwierigkeitsgrads zu erlangen.

Der Pegel war niedrig und die Aussage „untere Bregi läuft immer“ werde ich künftig nicht mehr so bereitwillig gelten lassen denn weniger Wasser hätte es nicht sein dürfen. Das Hochwasser vor zwei(?) Jahren hat erkennbare Spuren hinterlassen. Da, wo der Fluss unterhalb des Campingplatz eine Rechtskurve beschrieb schwenkt er z.B. nun nach links.


Wir hatten verabredet, dass wir die andere Gruppe an der Rotachmündung (nach einem Kilometer) wieder treffen und paddelten gemächlich – die Kehrwasser und Wellen unterwegs nutzend dorthin. An der Rotachmündung floss so wenig Wasser, dass man in der Schwallpassage davor am oberen Ende über ein paar Steine schrabbeln musste. Dafür war das rechte Kehrwasser, das mich bei früheren Fahren immer wieder zur Verzweiflung gebracht hat so zahm, das man ohne jede Schwierigkeit hinein kam. Bei regulären Strömungsbedingungen hat man nur einen Versuch und die Gegenströmung sowie die schräg verlaufenden Felsen unter Wasser sorgen gern mal dafür, dass man bestimmt aber höflich abgewiesen wird.
Auch schwimmend kam man diesmal ins Kehrwasser. Denn das war, was wir beim Warten ausprobierten. Die meisten sprangen im Verlauf des Schwalls ins Wasser, trieben hinunter und ließen sich mit dem Wurfsack herausziehen – andere warfen selbigen mit wechselnder Zielgenauigkeit. Selbst misslangen mir auch einige Würfe weil ich im Wasser stehend nicht aus dem Armschwung sondern Überkopf werfen musste. Daran muss ich noch arbeiten. Die Erfahrung des plötzlich einsetzenden Zugs am Seil mahnt immer wieder dazu einen festen Stand einzunehmen. Danach versuchten wir es auch mit aktivem Anschwimmen des Kehrwassers was ebenfalls eine lehrreiche Erfahrung ist. Meine Kamera hat aufgrund des Kondenswassers, das sich nach dem Schwimmen im kalten Wasser bildet, an der Stelle einige sehr milchige Bilder produziert.



So beschäftigten wir uns einige Zeit in der sich die andere Gruppe nicht blicken ließ. Sie beackerte die Kehrwasser und Wellen offenbar wesentlich intensiver als wir das getan hatten. Als sie schließlich auftauchten räumten wir das Feld nur um knapp 200 Meter weiter unten auf einer Kiesbank eine Pause einzulegen. In Sichtweite der Kiesbank befand sich ein großer Kehrwasserwirbel, in dem sich prima Karusellfahren ließ. Und gleich gegenüber lud eine kleine Welle zum Surfen ein. Es wurde eine unterhaltsame Pause mit gelegentlichen Paddel- und Schwimmeinlagen. René filmte das eine oder andere Manöver und es ist damit zu rechnen dass bald Filmmaterial über die Ausfahrt im Internet erscheint.


Aber so unterhaltsam das war, - als die andere Gruppe die 200 Meter nach einer kleinen Ewigkeit auch bewältigt hatte paddelten wir schließlich doch weiter. Manch kleiner Schwall, die eine oder andere Welle und zahlreiche Kehrwässer wurden angefahren und irgendwann auch der eher ruhige letzte Abschnitt vor Kennelbach überwunden. Rechtsseitig waren immer wieder die Reste des inzwischen starkem Verfall preis gegebenen alten Bahndamms zu erkennen. Einer der beiden Tunnel sei inzwischen eingestürzt und an vielen Stellen sind Erdrutsche dafür verantwortlich, dass sogar Mountainbike-Fahrer nicht mehr voran kommen.


Das Wehr bei Kennelbach lag über die gesamte Breite trocken. Das wenige Wasser, das davor ankam wurde gänzlich in den Kraftwerkkanal geleitet. Wir wuchteten die Boote an Land, trugen sie zum 2-300 Meter entfernten Parkplatz und zogen uns um.

Dann ging es – einen kurzen Stopp beim Spar-Markt zur Auffrischung der Vorräte und zum Kauf von Grillgut in Kauf nehmend – zurück zum Campingplatz. Dort wurden aus Wurfsäcken Wäscheleinen, der Platz wurde mit bunten Girlanden aus Neoprenanzügen, Gummilatschen und Paddeljacken verziert und in diesem Ambiente, in dem Paddlerinnen und Paddler sich erst richtig wohl fühlen, ein kleines Kaffeekränzchen abgehalten zu dem Gesine leckeren Kuchen beisteuerte.
Dann gingen wir Holz fürs abendliche Lagerfeuer suchen. Klemens brillierte mit seiner neuen Klappsäge, gegen die meine kleine Säge den Charakter der Säge am Schweizer Taschenmesser hat, und ein weiterer Konsumzwunsch keimt (jahreszeitlich passend) seitdem in meinem Gemüt.

Das Lagerfeuer wurde bereits von René angeschürrt als wir anderen noch eine kleine Theorierunde einlegten. Christian hatte im Vorfeld einen Fragekatalog formuliert, der nun gemeinsam beantwortet wurde und er gab ergänzende Unterlagen aus. Die werden hoffentlich von den Teilnehmern und Teilnehmerinnen auch gelesen denn die dort behandelte 3x3 - Methode zur Unfallverhütung ist zwar nicht so erheiternd wie die ebenfalls enthaltenen Karikaturen von William Nealy aber dennoch äußerst lehrreich.

Schließlich wurde im Licht der untergehenden Sonne gegrillt. Die Gourmets unter uns widmeten sich zunächst der Salatzubereitung (1. Gang) während wir hungrigen Crétins schon Würste und Fleisch über der vorbereiteten Glut garten und bald darauf gierig verschlangen. So kam es, dass die in Alufolie gehüllten Gemüse- (2. Gang) und Fleischpakete (3. Gang) der Feinschmecker erst dann auf die Glut kamen als die Sonne schon vom Sichelmond abgelöst wurde und uns allmählich die Kälte in die Glieder kroch. Erst sehr viel später konnte schließlich ein eher bescheidener Anteil der angesammelten Holzmassen in ein flackerndes und wärmendes Feuer verwandelt werden, an dem wir doch noch einige Zeit saßen. Das übrige Holz steht nun nachfolgenden Campinggästen zur Verfügung.

Sonntag


In der nachfolgenden Nacht trieb irgendein Vierbeiner zwischen unseren Mülltüten und Nahrungsvorräten sein Unwesen, was eine längere Phase der Schlaflosigkeit auslöste, die ich durch morgendliches Ausschlafen kompensierte. So kam es dass Klemens mich weckte, der – nach Abschluss seines Frühstücks – für mich einen üppigen Perkolator-Kaffee vorbereitet hatte, an dem sich schließlich einige ähnlich verschlafene Frühstückteilnehmer bedienen konnten.
Gleich nach dem Frühstück wurden Wechselklamotten in die Autos verfrachtet und letztere nach Kennelbach gebracht. Währenddessen wuchtete ich mein Boot schon zum Fluss um mich vorher schon ein wenig im Kehrwasser unter der Hängebrücke warm zu paddeln.

Am Ufer stellte ich mit Schrecken fest, dass heute noch weniger Wasser als gestern floss. Zahlreiche Steine schauten aus dem Fluss, die Strömung war langsam und müde, das Kehrwasser kaum als solches ernst zu nehmen. Ich setzte mich an den Rand und plauderte mit René.
Als die Autos schließlich zurück kamen und mehr Paddler ans Wasser strömten war festzustellen, dass der Wasserspiegel innerhalb von 20 Minuten um fast 10 Zentimeter gestiegen war. Im Verlauf des Tages sollte der Pegel weiter steigen, so dass wir letztlich an diesem Sonntag mehr Wasser hatten als am Vortag.
Manuel probierte noch ein wenig mit den zur Verfügung stehenden Canadiern herum und verzweifelte leichtgradig an der Kippeligkeit meines kleinen Böötchens („Axel, Dein Boot ist gefährlich“). Es wurden neue Gruppen gebildet und Maja machte klar, dass sie nicht gemeinsam mit Canadiern paddeln wolle. Wir Canadierpaddler bildeten also wieder eine eigene Gruppe und übernahmen mit vier Canadiertoleranten Kajakpaddlern die Vorhut.


Heute wollten wir ein wenig flotter voran kommen da wir ja noch am Abend nach Hause mussten und ritten deshalb die Wellen nicht immer wieder sondern immer nur ein paar Mal ab. Der leicht erhöhte Wasserstand bescherte uns einen etwas knackigeren Schwall an der Rotachmündung und alle Varianten der Stromzugquerung in Wellen wurden durchgespielt (inklusive Kenterung – aus Versehen und absichtlich als Rollversuch). Der Wurfsack flog einige Male (dabei gelegentlich nicht weit genug) und wir wurden richtig nass. Das Wetter war wieder blendend, so dass wir das gerne in Kauf nahmen.


An der gleichen Stelle wie am Vortag wurde eine Pause eingelegt, die von Kehrwasserkarussellfahrten und Wellenritten unterbrochen/begleitet wurde und dann ging es nach Eintreffen der zweiten Gruppe weiter flussabwärts. Dort, wo man sich am Vortag noch zwischen zwei Felsen und etwas eingeklemmtem Treibholz hindurchzwängen konnte kam ich mit dem hohen Boot heute nun nicht mehr durch. Mit etwas mehr Wasser macht die Bregi doch erheblich mehr Spaß.


Wir kamen letztendlich gegen 15:00 Uhr in Kennelbach an während sich hinter uns erste Gewitterwolken am Himmel türmten. Wir zogen uns um, die Boote wurden verluden und wir fuhren zurück zum Campingplatz wo wir eiligst die trockenen Zelte abbauten. Dann traten wir - nach einem flüchtigen Abschiedszeremoniell - die lange Rückfahrt an, die sich - dank Nickerchen und angenehm staufreier Fahrt über die Schwäbische Alb doch recht kurzweilig gestaltete. Gegen 19:30 Uhr kamen wir in Tübingen an wo Boote und Ausrüstung versorgt wurden und die Teilnehmer sich in alle Himmelsrichtungen davon machten.


Wer mehr Bilder sehen will kann das hier (Diaschau) tun.

Fazit:

Die Bregenzer Ach ist immer wieder eine Reise wert. Selbst wenn die paddeltechnischen Herausforderungen auf dem von uns in der Regel befahrenen Abschnitt sich in Grenzen halten ist das Landschaftspanorama immer wieder großartig. Der Pegel in Kennelbach sollte dennoch deutlich über 100cm liegen damit die Fahrt nicht zu materialschädigend wird. Gleichwohl ist die Pegelangabe wenig verlässlich da sich der Wasserstand völlig willkürlich ändert. Das Wetter war blendend (wir haben diesbezüglich schon ganz anderes erlebt). Der Campingplatz in Doren ist trotz oder aufgrund seiner einfachen Ausstattung ideal für Paddel- und Wandertouren und ich sehe schon freudig den Pfingstferien entgegen, in denen wir dort fünf Tage verbringen wollen und ein regelrechtes Basiscamp errichten.

Mein Minimalgepäck werde ich künftig doch um eine kleine Campingküche erweitern, damit ich mir den Kaffee nicht mehr erbetteln muss und etwas mehr Lebensmittel mitnehmen will ich aus ähnlichen Gründen auch.
Ich musste wahrnehmen, dass mir die Rolle des Trainers im Kreis der Paddelfreunde überhaupt nicht liegt. Das mag anders sein, wenn ich es mit Paddlern zu tun bekomme, über deren Kompetenzen ich nicht längst Bescheid weiß. Aber Leuten wir Klemens und René kann ich paddeltechnisch sowieso nichts vormachen - da steht das gemeinsame Paddeln im Vordergrund und es wäre ein Jammer, wenn sich das ändern sollte.

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