Zum lang angekündigten Treffen in Tübingen hatten sich gerade einmal neun Teilnehmer angemeldet obwohl Sicherheitsfragen ja stets engagiert und kontrovers diskutiert werden. Da wissen viele Leute Bescheid und dann bietet sich ja mal ein Erfahrungsaustausch an. Hatte ich mir so gedacht.
Ich stellte mein Zelt bereits Freitagnachmittag am Bootshaus auf, weil ich damit rechnete, dass der/die eine oder andere vielleicht schon Freitag auftauchen würde. Es kam niemand außer Regen, der just an diesem Abend einsetzte. Ich verbrachte ein gemütliche Nacht im anfangs geheizten Zelt bei prasselndem Regen.
Morgens ließ der Regen nach und ich konnte beim Frühstück unserer Kanujugend beim Beladen des Anhängers zuschauen. Sie fuhren nach Hünigen und ich haderte ein wenig damit, dass ich da nicht mitkommen konnte. Auch kontrolliertes Wildwasser kann attraktiv sein.
Eine erste Absage wegen Krankheit trudelte via Email ein. Dann kam Georg in seinem alten VW-Bus und leistete mir bei meinem Frühstück Gesellschaft und schließlich trafen in kuzer Folge Rolf, Christoph aus der Schweiz, René, Eckard und Matthias ein.
Wir plauderten um den Tisch, den wir zwischenzeitlich ins Bootshaus getragen hatten, Regen prasselte doch wieder herunter, kaum einer hatte das Bedürfnis gleich aufs Wasser zu gehen. Außer René, dem wir zu schwatzhaft waren. Ihm fehlte Action und er schlich sich irgendwann enttäuscht davon.
Dann kam die Sonne heraus und wir entschieden erst einmal Schiffeversenken zu spielen.
Bootsbergung
Wir paddelten mit sechs Booten bergauf. Bei zwei davon handelte es sich um PE-Boote, die unsere Versuchsobjekte sein sollten. Oben an der rauen Rampe floss infolge der Regenfälle der Nacht doppelt so viel Wasser wie sonst. Meine kleine Insel, die ich fürs Verkeilen der Boote gebaut hatte, hielt dem Wasser stand und ich versenkte gleich mal den PE-Explorer.
Das Boot verwand sich durchaus besorgniserregend und war alleine nicht mehr aus dem Wasser zu bekommen. Wir berieten uns und versuchten es zunächst mit vereinten Kräften. Zu viert lösten wir es relativ problemlos, verankerten es aber gleich anschließend erneut um es dann in kleinerer Besetzung erneut zu probieren.
Diesmal wendeten wir den viel diskutierten "Steve-Thomas rope trick" an den wir vorher am Ufer schon ausprobiert hatten und den wir Tübinger letzten Freitag schon einmal geübt hatten. Diesen "Trick" spielten wir in unterschiedlichen Varianten durch.
(Seil durchfädeln und auf der Gegenseite aufnehmen, den ganzen Wurfsack unter dem Boot durchreichen,...). Er war stets wirkungsvoll und es erwies sich als sinnvoll schon beim ersten Zug am Boot die Rotation gleich auszunutzen, damit das Boot nicht mit der offenen Seite erneut gegen die Hindernisse geschoben wurde, sondern auf dem Rumpf aufschwamm.
Dann wandten wir uns dem Flaschenzug zu und Georg erläuterte, wie man in Ermangelung von Rollen aus Paddelschäften wirkungsvolle Seilzugsysteme bauen kann. Dabei kommt beträchtliche Hebelwirkung zustande.
Man erreicht damit natürlich nicht die Kraft, die ein ordentlicher Flaschenzug entwickelt. Einen solchen baute Christoph.
Zur Auflockerung wateten wir noch unter Benutzung von Hilfsmitteln durch den Fluss. Erst versuchten wir es mit Stöcken, auf denen wir uns abstützten, dann tanzten wir Sirtaki. In Wirklichkeit hielten wir uns an den Schwimmwestengurten und platzierten abwechselnd einen von uns oben in der Strömung damit er den anderen beiden "Strömungsschatten" gab. So kommt man langsam aber sicher durch schnell fließendes Wasser.
Schließlich packten wir zusammen, paddelten zurück zum Bootshaus, zogen uns um und schlenderten in die Stadt um bei Kaffee und Apfelstrudel die gemachten Erfahrungen zu reflektieren. Auf dem Rückweg kauften wir noch Grillgut ein und am Abend saßen wir zu viert ums Feuer um anschließend - als des dunkel und ein wenig ungemütlich wurde - im geheizten Bootshaus Bilder und Filme von Georg anzusehen, auf/in denen es um Sicherheitsfragen ging.
Sicherheit in tiefem Wasser
Am anderen Morgen trudelten die Teilnehmer wieder ein - Rolf wurde durch Lorenz ersetzt, der bei den folgenden Übungen auf dem tiefen Wasser das Fotografieren übernahm. Vorher jedoch wurde wieder vor dem Bootshaus Kaffee getrunken und über viellerlei Dinge diskutiert.
Vom Bootshaus aus paddelten wir in fünf Booten abwärts. Christoph und ich nahmen im Tandemboot ordentlich Gepäck mit. Ich hatte Tonnen und einen Packsack mit Gewichten und Textilien so präpariert, dass sie ansehnliches (und realistisches) Gewicht mit brachten. Lorenz beobachtete und fotografierte.
Zunächst wollte keiner so recht kentern aber die Sonne kam wieder heraus und Eckard fasste sich zuerst ein Herz. Er machte schnell die Erfahrung, dass man in ein Soloboot ohne fremde Hilfe und trickreiche Technik quasi nicht wieder hinein kommt. Besonders, wenn die Schwimmweste nicht richtig festgeschnallt ist und beim Schwimmen nach oben rutscht.
Christoph und ich kenterten schließlich diverse Male und spielten alle Varianten des Wiedereinstiegs durch. Das Boot mittels Capistranoflip wieder aufzurichten war die leichteste Übung weil es ja federleicht ist. Der Wiedereinstieg des ersten Paddlers gelang auch unproblematisch. Schwierig wurde es erst, wenn der zweite wieder ins Boot wollte. Daran scheiterten wir diverse Male bis wir den Dreh heraus hatten. Dass unser Gepäck und unsere Paddeln unterdessen in alle Richtungen drifteten spielte in diesem "behüteten" Test erstmal keine Rolle. Die anderen kümmerten sich darum.
Wir übten den Wiedereinstieg mit dem "Heel-hook", über Fässer (klappt eher nicht) und mit Hilfe eines Packsacks, in dessen Griff ein Fuß geschoben wird. Das ging eigentlich noch am Besten. Als hinderlich erwiesen sich die bauchigen Wildwasserschwimmwesten mit denen man nicht gut über den Süllrand kommt.
Dann erprobte Eckhard die Boot-über-Boot-Bergung, die erheblich einfacher ist als die Boot-über-Gepäck-Bergung. Bei der taten wir uns auch zu zweit sehr schwer. Aber Eckhards Bergung verlief vorbildlich.
Nachfolgend kenterte Matthias noch seinen Wood/Canvas-Canadier und gemeinsam brachten wir ihn mittels Capistranoflip wieder in die Ursprungslage. Das ging erstaunlich gut. Das Boot ist ja erheblich schwerer als der Kevlar-Prospector. Beim Wiedereinstieg hatten wir die gleichen Schwierigkeiten wie beim Kunststoffboot aber die dort gemachten Erfahrungen halfen uns jetzt.
Wir spielten dieses "Manöver" mehrmals in unterschiedlichen Varianten durch bevor Klemens noch ähnliche Versuche im Wildwasserboot unternahm.
Der Wiedereinstieg in das winziges Wildwasserboot klappt eigentlich problemlos. Dabei ist allerdings Unterstützung erforderlich damit das Boot aufrecht bleibt. In der Strömung mag sich das Manöver auch ein wenig komplizierter darstellen. Wir müssen das mal - auf einer Ausfahrt - ausprobieren.
Zurück am Bootshaus wärmten wir uns erstmal auf (Dusche, Kaffee) und setzten uns in die Sonne um die gemachten Erfahrungen noch einmal zu bereden. Grundlegend wichtig ist, dass solche Übungen immer wieder gemacht werden. Sie lassen sich zum Beispiel in reguläre Ausfahrten einbauen. Bedenken haben wir alle, dass die Abläufe unter Realbedingungen bei Wind und Wellen und/oder heftiger Strömung noch einmal erhebelich schwerer sind, als unter den Laborbedingungen unseres Sicherheitstreffens. Aber wenn man sie überhaupt nicht übt ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie gelingen, äußerst gering.
Am Nachmittag verabschiedeten sich die Teilnehmer nach und nach und das erste und vermutlich einzige Sicherheitstreffen war gegen 15:30 Uhr zu Ende. Wir haben viel gelernt und viel Spaß gehabt. Der Ansatz einfach Erfahrungen auszutauschen und keine strukturierte Schulung durchzuführen ist trotz (oder aufgrund) der wenigen Teilnehmer aufgegangen. Wir haben uns gut ergänzt. Dennoch hinterlässt die geringe Bereitschaft, sich mit Sicherheitsthemen auseinander zu setzen, Bedenken. In der Canadierszene scheint es bezüglich Sicherheit klare Meinungen aber wenig Engagement zur aktiven Auseinandersetzung mit dem Thema zu geben.
Wir werden in Tübingen - über die Einbettung solcher Übungen in das reguläre Training und die Ausfahrten hinaus - weiterhin solche Veranstaltungen anbieten; für den Kreis der ernsthaft Interessierten. Eine öffentliche Auschreibung spare ich mir künftig.
Nachtrag zum letzten Satz: Ich mache eine Kertwende. Voraussichtlich am 21./22.09.2013 findet das nächste Sicherheitstreffen statt. Es wird im Rahmen der Trainerfortbildung des Kanuverbands ausgeschrieben und ist aber natürlich auch offen für weitere an Sicherheit interessierte Teilnehmer. Die Ausschreibung dazu findet sich HIER.
Bilder des Treffens gibt es von Rolf und von mir, Lorenz und Matthias.
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