Mittwoch, 8. Dezember 2010

Bootsbiografie

Diesen Text habe ich mal angefangen nachdem sich ein Thread im Canadierforum so fortentwickelt hat, dass da Bootsgeschichten hinein gerieten. Meine kommt mir aber für einen Forumsbeitrag etwas zu üppig vor weil ich a) zu ihrer Erstellung frühere Logbucheinträge geplündert habe und b) in kurzer Zeit recht 'viele' Boote gehabt habe.
Das hat natürlich zum Teil seine Ursache in falscher Sparsamkeit - wenn man seine Leidenschaft stets mit unüberelgten Gelegenheitskäufen befriedigt muss man letztendlich wahrnehmen, dass sie sich häufen. Ich bedauere das trotzdem nicht - selbst mit den Booten, von denen ich mich schnell wieder getrennt habe, hatte ich viel Spaß und konnte Erfahrungen sammeln, die ich sonst vielleicht nicht hätte.

Gleich vorab muss ich gestehen, dass ich allenfalls indirekt eine Stütze der Canadierindustrie bin weil ich quasi alle meine Boote gebraucht gekauft habe. Aber die, die mir die verkauft haben, haben ja sicher neue Boote angeschafft um sie zu ersetzen und der eine oder andere mag durch die Lektüre vielleicht sogar animiert geworden sein sich ein neues Boot anzuschaffen. Die wenigen Boote, die relativ neu und makellos in meinen Besitz gekommen sind habe ich erstaunlich schnell - bevor sie Macken kriegen konnten - wieder verkauft.

Ursprünglich zum Paddeln gekommen bin ich als Jugendlicher, als ich an den Canadier-Touren meines "großen" Bruders teilnahm. Das verlor sich aber wieder (die Hobbys großer Brüder haben einen Tabu-Status - sie wiederum leiten sich von den Hobbys der Väter ab - ein sozialpsychologischer Mechanismus, der kleinen Geschwistern ein gewisses Maß an Originalität aufzwingt/ermöglicht).

Erst im reifen Alter von knapp 40 Jahren – das ist also jetzt fast 10 Jahre her - entdeckte ich diesen Sport wieder für mich und kaufte „für die Familie“ ein uraltes polizeigrünes Bavaria Mustang GfK-Kanu. Mit dem Boot hatten wir allerhand Spaß. Die Farbe verleitete mich dazu, es POLIZWEI zu taufen, und ich fuhr mit den Kindern Streife auf dem Neckar. Hier und da war mal ein Loch zu flicken was bei GfK ja völlig unproblematisch ist, das Gewicht des Bootes jedoch jedes Mal erhöht. Das Boot wurde nach einigen Jahren mit einem geringfügigen aber befriedigenden Gewinn über eBay versteigert.

Aus dieser Quelle stammt auch das Holzboot, dass ich noch am längsten hatte, am wenigsten nutzte und am heißesten liebte. Ich habe wagemutig für 381,- EUR das fünfeinhalb Meter lange geklinkerte Mahaghony-Boot ersteigert, das ich anschließend verwegen auf dem Autodach von Potsdam nach Tübingen befördert habe (Unterwegs setzte der Dieselfilter am Auto zu, so dass Auto nebst Boot auch noch auf einen Abschleppwagen kamen - ich bereue heute noch, dass ich das damals nicht fotografiert habe).

In Tübingen angekommen stellte sich das Problem der Bootslagerung und nachdem das Boot eine Weile im Wohnzimmer und später unter einer Plane hinter dem Haus gelegen hatte kam ich über Umwege (Ruderclub) zum Kanuklub in dessen Bootshaus der Canadier aufgrund seines Gewichts ein bodennahes Regalfach bekam und in dessen Mitgliederschar ich mich einreihte und seitdem zunehmend engagierte.
Zwischenzeitlich schliff ich alten Lack ab und brachte neuen auf, baute zusätzliche Sitze ein und einen passenden Bootswagen und beschäftigte mich vorwiegend bastelnd mit dem Boot. Denn ein Nachteil des wunderschönen Objekts kam gleich „zum Tragen“: Es ließ sich nicht allein bewältigen das Boot aus dem Wasser zu bekommen. Hinein konnte ich es schon schieben - da halfen die Schwerkraft und der Bootswagen aber beim Wiederausheben hatte es sich mit Wasser vollgesogen, war also schwerer und die Uferböschung des Neckars stellte ein unüberwindliches Hindernis dar. Sehr selten kam das Boot ins Wasser. Im Wasser selbst bewegte es sich würdevoll aber träge. Da ich zwischenzeitlich andere Boote kennengelernt hatte musste ich doch feststellen, dass dieser Stil mir nur anlässlich einzelner weniger Paddelveranstaltungen lag. Zwar genoss ich das eine oder andere Picknick auf dem Wasser oder die besten Plätze in den Zuschauerreihen beim Stocherkahnrennen aber schlussendlich verbrachte das Boot die meiste Zeit in seinem Regalfach da es einen weiteren eklatanten Nachteil aufwies: erst einmal trocken füllte sich durch winzige Fugen allmählich mit Wasser und wurde erst dann einigermaßen dicht, wenn es einige Tage gewässert worden war.
Ein Bootsanhänger wurde schließlich auch gekauft, um das Boot z.B. zum Bodensee zu befördern - ein Plan, der mangels Paddelbegeisterung meiner nächsten Anverwandten nie realisiert wurde. Der Bootsanhänger musste für diverse andere Transporte herhalten.

Als ich dann irgendwann spontan den federleichten 18’-Canadier kanadischer Herkunft gekauft hatte war die Leidenschaft für den geklinkerten Canadier hinreichend erkaltet, so dass ich ihn meistbietend versteigerte. Er erzielte einen ansehnlichen Betrag und refinanzierte damit weitestgehend den Kauf des Familienkanadiers.

Ein weiteres Boot, das ich blauäugig gekauft hatte, war das doppelschalige bleischwere GfK-Matten-Kanu: Ein 5,50 Meter langes Dickschiff mit Kielstreben, an dem der Vorbesitzer schon all die Drecksarbeit geleistet hatte, so dass ich es mit wenig (aber doch einigem) Aufwand fertig renovieren konnte. Das Boot erwies sich als träger Bus, der zwar locker fünf Erwachsene und zwei Kinder befördern konnte aber ähnlich selten genutzt wurde wie das Holzboot. Es wurde trotz all der investierten Arbeit bei weitem nicht so geliebt und schließlich unsentimental an eine Pfadfindergruppe abgegeben.


Zwischenzeitlich bekam ich in Anerkennung frisch erworbener akademischer Ehren von meiner Mutter einen Alu-Canadier geschenkt, den ich mir gewünscht habe seit ich diese Boote in Schweden kennen gelernt hatte. Das Aluboot hatte ich sehr lange – es lagerte klaglos im Vorgarten ans Baumhaus der Kinder gekettet, wurde immer wieder polternd quer durch die Stadt auf dem Bootswagen zum Fluss gerollt und wieder zurück und wir waren damit zusammen einige Male unterwegs, häufiger noch paddelte ich die Alukiste allein, was leidlich gut ging. Das Boot war solide und schwer, hatte ein ausgeprägtes Kiel und einen Flachboden – das ideale Anfängerboot.

Schließlich geriet ich an ein Solo-Boot, das offenbar von einem ambitionierten GfK-Bastler gebaut worden und viel zu kurz und kastenförmig ausgeführt war. Aber damit war ich ans Solocanadier-Fahren geraten und entdeckte die damit verbundene Unabhängigkeit. Sie verleitete mich zur Anschaffung meines MadRiver Independence. Das kleine Solo-Boot versteigerte ich alsbald erneut gewinnbringend.



Da mich wildes Wasser reizte erwarb ich bei einer späteren Gelegenheit einen Prijon Prototypen eines Wildwasserboots. Das Boot hat es nie in die Produktion geschafft, was mir zu denken hätte geben sollen. Es erwies sich als gänzlich ungeeignet für wildes Wasser (es sei den als Abfahrtsboot), bestand aber aus PE und hatte einen hübschen Eschensüllrand. Ich habe es lange behalten aber zu wenig genutzt.

Später kaufte ich - meiner zunehmenden Neigung zu wildem Wasser nachgebend - den kleinen Phantom, der mir anfangs richtig Angst machte, so dass ich – da sich urplötzlich die Gelegenheit bot und in der Bootskasse gerade mal Geld war – kurz darauf einen MadRiver Outrage kaufte, mit dem ich systematisch Wildwasserpaddeln lernte. Zwei Wildwasserboote schienen mir dann aber doch zuviel und ich entschied mich - nachdem der Phantom und ich doch so eine Art 'Freundschaft' geschlossen hatten - den Outrage an einen guten Paddelfreund abzugeben was den Vorteil beinhaltete, dass er weiterhin zugänglich war.

Stattdessen ersteigerte ich bei einer Lagerauflösung (erstmalig fabrikneu - aber mindestens zehn Jahre gelagert) einen Solo-Faltcandier (MadRiver Escape – eigentlich Pakcanoe 140), mit dem ich viel Spaß hatte, der sich aber immer so ein klein wenig schwammig anfühlte. Ich hatte lediglich ein einziges Mal Gelegenheit ihn artgerecht zu nutzen (Mitnahme im Urlaub) und habe ihn dann wieder verkauft weil ich Geld für ein Zelt brauchte.


Dann habe ich im vergangenen Jahr einen kleinen Freestyle-Canadier (Twister American Traders) gekauft, der mir ebenfalls viel Spaß gemacht hat. Ein wirklich hübsches und agiles Boot, zu dessen Beherrschung man schon einige Grundkenntnisse im Paddeln haben sollte. Ich habe mich sehr schnell wieder davon getrennt weil ich mich nicht recht mit dem Freestylen anfreunden konnte, Flachwasser eher langweilig finde und - wenn ich doch darauf unterwegs bin - richtig voran kommen will. Dafür habe ich schon ein passendes Boot (Independence), das ich auch behalten werde weil es mir schwer verkäuflich scheint und fürs Poling sehr geeignet ist (es hat unter meiner Nutzung etwas gelitten ohne dass bislang nennenswerte Reparaturen fällig gewesen wären und ich verbinde damit sehr schöne Erinnerungen, habe eine „enge Bindung“ zu dem Boot – das ist vermutlich ausschlaggebender). Auch wenn der Händler mir das Wildwasserpotential des Twisters mit eingeschränkter Glaubhaftigkeit anpries - fürs Canoe-Poling taugt er unzweifelhaft überhaupt nicht.

Als Trost für den Verlust des Twisters habe ich schließlich zuletzt – mehr aus einer Laune heraus – den betagten MadRiver Fantasy WW-Tourencanadier gekauft, den ich jetzt immer dann nehme, wenn ich auf schnellem Wasser mit längeren Paddelabschnitten unterwegs bin oder im Wildwasser Gepäck mitnehmen will.

Künftige Boote?

Für die wirklich rauen Wildwasserstrecken (und als Ersatz für den in letzter Zeit zügig alternden Phantom) hätte ich gerne noch so ein PE-Wildwasserboot (Prelude oder den neuen L’Edge von Esquif), mit dem man quasi Geröllhalden hinunter brettern kann ohne dass das Boot nennenswerte Kratzer kriegt. Und wenn ich dann in die Jahre komme und unter dem Gewicht meiner Boote ächze wünsche ich mir federleichte Kevlar/Karbonvarianten z.B. des Independence oder einen Millbrook Souhegan fürs Poling. Da fange ich mal besser jetzt schon an zu sparen.

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